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Interview mit Eliseth Peña zur indigenen Guerilla Quintín Lame

Bei der mündlichen Überlieferung geht vieles verloren

Interview mit Eliseth Peña, Regisseurin des Films „Der letzte Kommandant der Quintines“

Eliseth Peña (Jahrgang 1991) ist kolumbianische Journalistin und nur durch Zufall darauf gekommen, dass ihre Eltern der ersten indigenen Guerilla Lateinamerikas angehörten. Das Movimiento Armado Quintín Lame war im Cauca, der Region im Süden Kolumbiens, aktiv. Dessen Geschichte und damit auch die ihrer Eltern hat sie filmisch rekonstruiert.

Ein Interview von Knut Henkel

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Bericht vom Cauca-Seminar vom 3-5.12.21 im ABC-Bildungshaus Hüll

Zwei von uns hatten im Dezember die tolle Möglichkeit an einem Austausch- und Vernetzungsseminar teilzunehmen, bei dem sich Aktive trafen, die auf verschiedene Weisen mit der Indigenen Bewegung im Cauca, Kolumbien verbunden sind.

Wir als Kollektiv verkaufen Kaffee , der von der CENCOIC angebaut wird, das ist der wirtschaftliche Dachverband von Betrieben, die in der CRIC organisiert sind und der CRIC wiederum ist der Rat der Indigenen des Cauca. Wir sind also über unseren Kaffee mit der indigenen Bewegung im Cauca verbunden und haben uns entschieden, ihren Kampf für Land und Unabhängigkeit zu unterstützen. Leider hatte von uns aber noch niemand die Möglichkeit, die Kaffeekooperativen vor Ort zu besuchen und so war es für uns eine tolle Gelegenheit bei diesem Seminar sowohl andere Aktive, die teilweise schon deutlich länger in der Solidaritätsarbeit mit dem CRIC aktiv sind als wir zu treffen. Außerdem konnten wir auch mit zwei Mitgliedern der CRIC ins Gespräch zu kommen, die dem Seminar per Zoom zugeschaltet waren.

Wir haben den Samstag vor Allem dafür genutzt, uns über verschiedene Aspekte der Bewegung zu informieren.

Die indigene Guerilla Quintìn Lame

Zuerst haben wir den Film „el último comandante de los quintines“ gesehen, in dem die Filmemacherin Eliseth Peña die Vergangenheit ihrer Familie filmerisch aufarbeitet. Ihr Vater war der letzte Kommandant der Guerilla Quintín Lame, die als einzige indigene Guerilla Lateinamerikas vor allem in den 80er Jahren für die Rechte der Indigenen im Cauca kämpfte. Eliseth Peña war anwesend und so hatten wir die Möglichkeit, sie nach dem Prozess des Filmdrehs und nach Hintergrundinformationen zu befragen.

Die Guardia Indígena

Dann war uns Jonas zugeschaltet, der im Juni 2021 von einem 3,5 -jährigen Aufenthalt im Cauca zurückgekehrt ist und in dieser Zeit den CRIC auf verschiedenen Ebenen unterstützt und vor allem mit der Guardia Indígena gearbeitet hat. Die Guardia Indígena ist eine selbstorganisierte Selbstverteidigungsstruktur der CRIC. Sie verteidigen das Territorium der Indigenen gegen Angreifende von außen. Das sind häufig Paramilitärs, die in Kolumbien für viele Menschenrechtsverletzungen und Morde verantwortlich sind. Es gibt aber noch viele andere Akteure, die das Land der Indigenen betreten um es für sich zu beanspruchen. Dazu zählen Banden die den Drogenhandel organisieren und auch viele verschiedene Gruppen, die sich aus ehemaligen Guerillas zusammensetzen. Deren Interessen sind häufig ähnlich und überlappend, viele Gruppen sind in Drogenhandel und auch andere illegale Aktivitäten involviert und versuchen deshalb Macht über Land und Verkehrswege zu erlangen. Auch wenn die politischen Ideologien dieser Gruppen häufig sehr verschieden sind, ist es in der Praxis für die Indigenen meist kein großer Unterschied, mit wem sie es zu tun haben; All diese bewaffneten Gruppen stellen eine große Gefahr für das Leben der Indigenen dar und vor Allem Führungspersonen oder Mitglieder der Guardia Indígena leben in ständiger Lebensgefahr. Zu guter Letzt gibt es natürlich auch noch staatliche Akteure wie Militär und Polizei auf deren Konto zwar nicht wenige Morde und Gewaltakte gehen, deren Aktionen aber zumindest im gewissen Maße einschätzbar sind, berichtet uns Jonas.

wir waren sehr produktiv

Die Guardia Indígena rekrutiert sich aus allen möglichen Mitgliedern des CRIC, sowohl Männer als auch Frauen, Junge und Alte. Jeder Mensch aus den Gemeinden kann Teil der Guardia werden und tatsächlich sind oder waren viele es schon einmal in ihrem Leben. Wichtig ist, dass die Guardia zwar für die Verteidigung des Gebiets zuständig ist, sie lässt sich aber nicht mit einer Armee,Polizei oder anderen staatlichen Strukturen vergleichen. Die Mitglieder der Guardia Indígena erhalten keine explizite Ausbildung und werden auch nicht bezahlt. Außerdem sind sie nicht bewaffnet. Sie verteidigen also die Gemeinschaften ohne Waffen, sie versuchen allein durch ihre Überzahl an Menschen und ihr kollektives Vorgehen, Angreifende auszuschalten. Dafür haben sie ein System entwickelt, bei dem sich die verschiedenen Einheiten der Guardia im Falle eines Angriffes schnell untereinander informieren, wo die Angreifenden sind, damit sie das Gebiet nicht verlassen können. Sie verfolgen sie und versuchen sie einzukreisen und immer mehr Einheiten der Guardia dazuzuholen. Wenn sie viele Leute sind, versuchen sie die Angreifenden festzunehmen. Bei Zusammenstößen mit bewaffneten Gruppen hat die Guardia Indígena häufig Tote zu beklagen, trotzdem bleiben sie bei ihrer Strategie um das Gebiet zu verteidigen.

Das „programa jovenes“ und das „programa mujer“

Natürlich gab es die ganze Zeit leckeren Kaffee

Nach einer Pause war uns dann Eliana aus dem Cauca zugeschaltet. Trotz einigen Technikproblemen haben wir interessante Einblicke in das Jugendprogramm der CRIC bekommen. Der CRIC hat für jede Verwaltungszone Verantwortliche, die die gemeinsam erarbeiteten Ziele in Bezug auf Jugendliche umsetzen sollen. Eliana ist eine davon. Sie hat uns berichtet, dass eines der größten Probleme derzeit ist, dass Jugendliche aus der Bewegung sich aus ökonomischen Gründen bewaffneten Gruppen anschließen. Um diesem Problem zu begegnen wurden verschiedene neue Strategien erarbeitet unter anderem wird eine Analyse der Familiensituation vorgenommen: mit welchen Problemen wie z.B. innerfamiliäre Gewalt oder Alkoholismus sind junge Menschen in ihren Familien konfrontiert? Außerdem wird die ökonomische Situation betrachtet; weil nicht alle Familien ausreichend Land haben, um gut bewirtschaftbare Landstücke an ihre Kinder weiterzugeben, stehen Jugendliche vor dem Problem, keine wirtschaftliche Perspektive zu haben. Dieses Problem ist sehr schwer zu beheben weil es dafür viele Mittel braucht. Das Jugendprogramm versucht dem mit Fortbildungsmaßnahmen zu begegnen um Jugendlichen alternative Arbeitsmöglichkeiten aufzuzeigen. Im Anschluss haben wir uns mit einer Vertreterin des Frauenprogramms per Zoom getroffen. Sie hat uns sehr fundierte Informationen zur Entstehung und den Aktivitäten der Frauen in der Bewegung gegeben. Das Frauenprogramm soll die wirtschaftliche Situation der Frauen stärken, ihre Präsens in Gremien und auf Posten stärken und damit auch ihren Einfluss in der Bewegung vergrößern. Außerdem analysieren die Verantwortlichen des Programms in welchen Maße Gewalt gegen Frauen und innerfamiliäre Probleme bestehen um diese dann systematisch angehen zu können. Als aktuelles Projekt arbeiten sie an der Einrichtung eines Hauses, dass ich als eine Art Frauenhaus bezeichnen würde. Hier können Frauen Schutz finden, die aus gewalttätigen Beziehungen fliehen und in einem neuen Leben Fuß fassen. Außerdem dient das Haus den organisierten Frauen als Treffpunkt.

Wie geht es weiter?

Der Sonntag war dann eher der konkreten Planung der weiteren Aktivitäten und Vernetzung gewidmet. Wir waren uns darin einig, dass wir uns weiter gemeinsam organisieren und die indigene Bewegung im Cauca unterstützen wollen. In unseren Gesprächen vom Samstag haben wir mehrfach gehört, dass es für die CRIC hilfreich wäre, wenn ihre Kämpfe bekannter gemacht werden. In Deutschland und anderen Teilen der Welt aber auch in Kolumbien selbst, wo nicht alle diese Kämpfe kennen oder vielleicht auch ein Bild von den Indigenen haben, das mit der Realität nicht viel zu tun hat. Das heißt, das Produzieren, Übersetzen und Verbreiten von Informationen ist eines der Ziele was wir uns setzen. Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass es ein Folgetreffen geben soll um weiter an dem Thema zu arbeiten und unser Wissen zu vertiefen.

Drinnen wars sehr gemütlich, draußen fallen dicke Schneeflocken

Wir als Kaffeekollektiv ziehen daraus, dass unsere Art der Unterstützung, der Verkauf des Kaffees und dadurch mehr ökonomische Möglichkeiten auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielt. Es braucht an vielen Stellen Geld, um Projekte zu realisieren und wir können so relativ konkret etwas beitragen. Darüber hinaus bleibt für uns eine alte Frage aktuell; Wie kann überhaupt Solidaritätsarbeit auf Augenhöhe und über weite Entfernungen gut funktionieren? Wie schaffen wir einen Raum in dem alle Akteure zu Wort kommen und wirklich gemeinsam Strategien entwickelt werden können? Und letztlich natürlich die Frage, was bringt wirklich was?

Viele Fragen bleiben offen aber wir haben sehr viele wertvolle Informationen und schöne Momente von diesem Wochenende mitgenommen!